paul m waschkau

 

Über den HYDE als FILM

 

HYDE ist ein langer Mann mit energischem Temperament und künstlerischer Ader. Er läuft mit einer langherausgestreckten Zunge herum, die er in seinem Maul nicht unterzubringen weiß. Seine Haut ist bleich, weil sie schlecht durchblutet ist. Er ist mager, eher leichtfüßig als klump, feingliedrig und wenig behaart. Er ist auch etwas steif, was man bemerkt, wenn er sich bückt. HYDE steht nämlich meist vor dem Schreibtisch seines Büros. Manchmal sitzt er. Er kann das. Er kann das so­gar gut, alleine sitzen. Dabei ist HYDE stets angemessen ge­kleidet. Anzugartig während der Arbeit und bei öffentlichen Auftritten. Während seiner Trainer­stunden auf dem Centercourt kann man ihn auch in Turnhose und Overall se­hen.

 

Exemplarisch und unabdingbar für den HYDE im Film ist seine tief röhrende Stimme zu nennen. Sie wird mit zunehmendem Al­ter so hell werden, daß man annehmen muß, er habe Kreide ge­fressen. Obgleich er speziell mittels dieser seiner tief röh­renden Stimme energische Äußerungen von sich gibt und immer wieder von Aufräumarbeiten spricht, die erledigt werden müs­sen, und sein drohend erhobener Faustarm oft durch die Bü­rolüfte schwingt, glaube ich nicht, daß er zu Grausamkeiten neigt.

 

So gibt HYDE vom HYDE-BÜRO aus Kommentare über den Zustand der Welt, den er zwar oft als seltsam empfindet, aber im­grunde für den besten aller möglichen hält. Selbst unmögli­chen Zuständen gewinnt er wie ein tapferer Bürokrat etwas Gutes ab, er hat eine Veranlagung zum leitenden Ministerial­dirigenten, der von der Fraktion der Intellektuellen wenig hält. Doch im Park und unter Tieren ist HYDE ganz er selbst und wirklich HYDE. Er bedauert sehr, daß die Tiere so un­glücklich geworden sind, allein weil sie die Kunst nicht mehr verste­hen. Hyde ist untröstlich und fragt: "Was ist nur mit den Tieren los ? Früher, da tummelten sie sich unter uns, sie waren putzmunter und quicklebendig. Und heute ? Sie können sich nicht einmal mehr an den Schätzen der menschlichen Kunst erfreuen. Denn war es nicht bis vor kurzem noch normal, daß man an Seen, an Bergen, Bächen und in Museen die Tiere traf, die sich für die Kunst interessieren konnten ?" HYDE, der eine seltsame Wolfsmaske trägt und mit einer menschlich männ­lichen Figur ausgestat­tet ist, hat verständli­cherweise ein Herz für die Tiere. Für Wölfe und Schäferhunde, seine Artge­nossen, ebenso wie für Gi­raffen und Elefanten, Ratten, Kängu­rus. Ob er auch ein Herz für Kinder hat, ist mir nicht be­kannt. Katzen sind ihm fremd.

 

Soweit zur Person des HYDE, die sich beiweiten weit von der HYDEfigur, die dem Roman Jekyll & Hyde entsprang und bis zum heutigen Tag an die 150 Mal verfilmt wurde, unterscheidet. HYDE in den Filmen des EDWARD HYDE KARTELLS BERLIN und der HYDE PRODUCTION hat vielmehr mit Ed Wood gemein als mit den Monster­typen der gängigen HYDEversionen, allein weil unser HYDE auf eine ebenso naive Weise glaubt, mit Hilfe seines oft anwesen­den und unermüdlich arbei­tenden Filmteams von seiner Idee, der HYDEidee, einfach aber eindrucksvoll überzeugen zu können. Der Versuch einer Theorie der HYDEfilme müßte daher zualler­erst von der Betrachtungs­weise der Banalität ausgehen. Dies wiederum erscheint mir zu kompliziert und den Filmen gar nicht angemessen. Überhaupt halten solche Bemerkungen nur auf. Sie werden genannt, um von der eigentlichen Sache abzu­lenken. Zudem käme eine Abhandlung über die Banalität einem Plädoyer in eigener Sache gleich, die Verteidigung der HYDE­filme als Filme und der Filme im Zeichen des HYDE als HYDE­filme usf.- also eine hoffnungslose Sache. Wahrscheinlich ist dies der Grund, daß alle Filme der 2 großen Gesellschaften PROD & KARTELL zumindest von der Idee des HYDE inspiriert und geprägt sind. Wäre da nicht der aufdringliche Zerfall des Ma­terials und das unabweisliche Geräusch eines Super8filmpro­jektors, würde man speziell den Filmen aus der frühen Phase gar nicht anmerken, daß es sich um Filme handelt. HYDEfilme befreien den Kopf und sollen zur Nachahmung animieren.

 

 

Schlusswort:  Was tun diese Menschen da eigentlich ? Und warum tun sie es ?

 

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> FILMLISTE des Hyde Kartell Berlin & der Hyde Prod. Lüneburg # Stand 1996

 

Über den HYDE als FILM“ erschien im Hyde-Magazin No.7; Berlin 1996 und war Diskussionsbeitrag beim Symposion von THE EDWARD HYDE COLLECTION OF CONTEMPORARY ART im Hamburger Westwerk 1996