"Der Geist ist nur so lange wachsam und von dem lebhaften Verlangen nach weiterer Entfaltung angesichts der Dinge beseelt, als ein unenthüllter Rest des Geheimnisvollen in demselben zurückbleibt." HEGEL

 

 

 

ENDLICH WEITER

Bekanntlich verehrte Alfred Jarry die Eulen, weil sie von der dummen Masse als Unglücksbringer ausgestoßen werden, weil sie tagsüber schlafen und nachts wach sind, weil ihre krummen Säbel eine absurde Form haben und völlig unzweckmäßig sind. Aber darin steckt keinerlei Romantik. Denn fern jeder Morgenröte kommen an Unternehmungen, an denen, wie dem hier, jeder einzelne leer ausgeht, die Rivalitäten mit ihrem Streit. So degeneriert vorübergehend alles. Ständig kreuzen Zwerge unsere Wege und brechen ins Eis ein. Schimpfen. Auf der ganzen Linie versagen die hochgepriesenen spekulativen Gehirne. So leben wir oft in einem Zustand des ohnmächtigen Wartens auf etwas, von dem niemand eine Ahnung hat. Daß etwas kommen wird, wissen wir aus Erfahrung. Wann etwas kommen wird, wissen wir nicht. Bisher ist immer ein Zustand von einem anderen abgelöst worden. Träumend - zuweilen glasklar- drängen wir auf das Erwachen hin. Endlich weiter.

 

STRATEGIEN DER SCHRIFT sind stets auch AKTE DER TÄUSCHUNG. Das fängt schon mit dem Umschlag an. Oft läßt sich ein Titel erst in einer Art Umkehroperation mittels einer Einschweißung in die Zwischenzeilen verstehen. Ein Editorial jedoch, das mit wenigen Zeilen eine umfassende Erklärung des zT sehr differierenden Inhalts versucht, verzichtet endgültig auf die Idee mitschreibender LeserInnen, die wir hier noch vermuten und erwarten.

 

War in den Ausgaben Sudelsorium und Medienmutationen & Geflüster mit summenden Automaten vielleicht noch eine mangelnde Berechenbarkeit von Worten unterschwelliges Hauptthema, geht es in dieser Ausgabe um einen Einstieg in die Sprachprozessordnung. Das hat stets mit ziel- & ungerichteten verpuffenden Angriffen zu tun. Schon das Zitat an exemplarischer Stelle kann eine Strategie der Entlarvung bedeuten und die Verblendungszusammenhänge am Horizont der Diskurse in Schemata erstarrter Phrasen aufdecken. Ganze Bluffsystematiken kommen da zum Vorschein. Meist bewegen sich die Gedanken nur um den Abruf von Speichertasten bzw. in der Kombination von Belegstellen herum, was an der Universität bekanntlich als geisteswissenschaftlicher Beweis gilt. Wie der alltäglich wiederkehrende keuchende Journalismus nur noch ein Gewisper und Gemurmel ist. Schnell mit einer Bemerkung zur Hand, stets eine Lächerlichkeit greifbar, nie aber ein eigenes Urteil, eine Idee, ein weisender Gedanke. So erzittern sie insgeheim vor dem Erkennen ihrer geistigen Trägheit, weil sie doch den meisten, über die sie sich mit billigstem Gelärme auslassen, nicht einmal das Wasser reichen können. Darauf kommen wir vielleicht in der anbei neu gestarteten Serie Literarischer Flugschriften einmal zurück. Sofern es sich lohnt. Was ansonsten die Formen des literarischen Denkens, die diesmal aufgrund einer selten in den Vordergrund gerückten Rezeption zurückweichen, im Umkreis von Minerva anbelangt, geben wir zuweilen durchaus zu, uns getäuscht zu haben. Trotzdem sind wir sicher, daß diesbezüglich hier noch einiges in Bewegung ist und Aufbrüche in abseitige Gegenden stets zu erwarten.

 

wahnfried for headquarter MINERVA 15 #  BERLIN 1990