STRATEGIEN DER SCHRIFT

ZOMBIES-PEINSÄCKE-TODGEBURTEN

 

Literarische Flugschrift 1990

Prozesse der Berliner LiteraturSzene

 

1. Die literarischen Prozesse schlummern in furchterregender Ruhe. Denn die Ausflockungen, die an den bekannten Orten der Hochkultur in Form von Wasserglaslesungen stattfinden, können nun wirklich nicht unter die Kategorie Literarischer Prozess eingeordnet werden. Ob im LITERARISCHEN COLLOQUIUM LITERATURHAUS inzwischen auch im BUCHHÄNDLERKELLER, der mehr&mehr zum Unterhaltungszirkus sog. leichter Lektüre verkommt - überall feiert man die Rückkehr der Bibliothekare & den Einzug einer Angestelltenliteratur, die unter ordnungsgemäßer Ausbildung für gezielte Blutarmut sorgt. Verfangen im Hochsicherheitstrakt einer KulturMafia, innerhalb der sich sowohl Zeichen&Schriftstellerinnen (Inhaftierte), Kritiker & Jury (StaSi-Beamte der LitScene) wie MedienHausmeister (Zensoren) in einer Permanenz von Geschlossener Gesellschaft bestens kennen lieben schätzen, geht es doch mehr ums Pfründe und Pöstchen zuschieben, Einnahme sichern, statt um Literatur. Mediale Unsterblichkeit ist ihnen per se - ob durch Hochloberei oder Hetzkampagne ALLES EINE MOBILMACHUNG - mehrdimensional gesichert. Entscheidungskriterien gibt bekanntlich keine Jury offen bekannt. Aber auch hier gilt. Wer auf Zersammlungen und Sommerfesten bei einem Glaserl gut plaudern kann, zudem MeisterIn im Arschkriechen ist, dessen Tage sind gesichert. Und wenn da mal jemand einen Scheck erhält, der in die Spalte der Gehorsamen so schnell nicht paßt, dann nicht wundern. Geld blendet und beruhigt! Zudem werden Alibis stets zu allen Zeiten gebraucht.

 

2. Auf den hochgejubelten LiteraturBenefizVersammlungen sitzen die Funktionäre des LiteraturVertriebs dann alle in der ersten Reihe. Man erkennt sie, wie die unauffälligen Herren des secret service, wie Kaufhausdetektive, ohne sie zu kennen, sofort, weil sie doch wie die Hampel der Wach- & Schießgesellschaften aussehen. Deren Aufgabe ist die aller Institutionen: Ordnung herstellen. Ruhe bewahren. Zudem ist ihnen anzusehen, daß es ihnen sicherlich besser geht, als denen, ohne die sie, Funktionär, vollkommen funktionslos wären. Richtige Dixsche peinliche Fettsäcke. Darum wollen wir auch, selbst wenn es uns beizeiten beteuert wird, gar nicht verstehen, daß denen, allein weil sie an SchriftstellerInnen Knete, die ihnen gar nicht gehört, verteilen, ein Verdienst um die Literatur, für die sie sich scheinbar unermüdlich abrackern, zukomme. Auf diesem Ohr nämlich hören wir sehr schlecht. Und allein darum nennen wir hier keine Namen, weil sie es nicht wert wären, in diesem besonderen Blatt für Notwehr und Philosophie überhaupt abgedruckt/zitiert zu werden. Denn sie sind, wie alle Moderatoren, austauschbar.

 

3. Erinnern wir uns weniger Lächerlichkeiten. Die in dieselbe Kerbe schiessen. Als im Sommer sich Litfass mit Nr. 48 als neue Berliner Literaturzeitschrift im Literaturhaus vorstellen durfte, mußte man unweigerlich an einen Schulterschluß zwischen Institution und dahinein verstrickte Medien denken. Von zittyPBpostscriptum bis tagesspiegel, wurde einhellig der Pressetext von Litfass übernommen, daß es sich um eine wunderbare Rettung der vom Piperverlag '89 eingestellten bis dato Hausautorengazetten handelte. Niemand fragte, ob Litfass denn notwendig sei. Man muß dazu wissen, daß Mitherausgeber Ernest Wichner Wasserträger für Literaturhauschef H. Wiesner ist, der wiederum als Kritiker für tagesspitzel gleichwie PBzitty schreibt, bei dem wiederum Wichner mal Jurymitglied für die besten Literaturkritiker, die es nicht geben sollte, war. Man kennt sich also. Ganz nebenbei is t Wichner, der als rumäniendeutscher Autor vielleicht nur vorgeschobener Strohmann für die wahrlich ruhigste Berliner Literaturzeitschrift fungiert, jedoch Jurymitglied für die Verteilung von Autorengelder des LaSoz. Da sitzen naturgemäß erneut die großen Fische jener LiteraturMafia, die über ihre Funktionärtelefone entsprechenden Einfluß auf andere Geldgebergremien haben, ohne die kein neues Litfass existierte, und trotzdem DM 12 kostet. Dies aber wirklich nur nebenbei. Weil hier sonst der Eindruck entstünde, es regiere der Neid die Maschine. Denn tatsächlich ist unser Neid unermesslich! Daher ebenso nebenbei, daß die Nullnummer 48 wie alle medialen Großunternehmungen und noch 3000 andere Förderungsmaßnahmen sich dem literarischen Osten widmet. Geschenkt. Klar wird daraus, daß hier eine neue Literaturzeitschrift" nicht existenzfähig wäre, wenn nicht von jeder Seite wie im Fall von lettre gleichfalls der mediale Großpusch stattfände und einem als Sahne angeboten wird, was schon vor der Verpackung sauer und ranzig ist. Da fragt nämlich in Zurückspulung unserer Anspielung wie in Literatte 14 ganz richtig, ob denn nicht, wenn schon solch ein Renommierverlag wie Piper sich aus seinem eigenen totgelaufenen Projekt ausklingt, "die wirklich innovative, wirklich bedeutende, wirklich bahnbrechende Literatur vielleicht doch woanders veröffentlicht werden sollte?" Man ist es ja auch allmählich satt, vom zittyBPpostscriptler in seinem sonst wichtigem weil selten gewordenen Literaturanzeiger ständig aufs Schmalzbrot geschmiert zu bekommen, wie ungeheuer wichtig mal wieder die neueste lettreausgabe ist usf. Wenn man die anderen literarischen Lobpreisungen und Buchbesprechnungen in jenem ProgrammMagazin mit Auffüllartikeln beliebäugelt, dann weiß man doch rasch, wie weit die Nase der Frischluft hinterherhinkt. Ebenso zum kichern ist, mit welchem Pathos sog. unterdrückte fremdländische Literatur besprochen wird. Eine Literaturscene Berlin existiert für die heimische Journaille, auf deren Pupser wir gerne verzichten, nämlich nicht, es sei denn als Gastspielort usf. Darum bemerken wir einmal mit kleinem Stolz, zu verschiedenen Lesungen ins Ausland geladen worden zu sein, im Herbst zunächst nach Leningrad. Und schlägt Neuerer Literatur geneigter Leser und Autor einmal die zT seit zig Jahren existenten Literatur/Essey-Zeitschriften wie Kursbuch Freibeuter Merkur Litfass usw. auf, bemerkt jeder, daß das, was man Literarischen Prozess i.S. von Entwicklung nennen könnte, gar nicht stattfindet, sondern ZOMBIES oder TODGEBURTEN sind. Nirgends ein Aufruf eine Ermunterung zur Mitarbeit. Nur die üblichen Abschreckungsfloskeln. Meist sind die kommenden Ausgaben auf Monate/Jahre im voraus verplant. Eine Chance aber dem, der die Drahtzieher kennt. Und nichts das uns kein Gähnen herausquälte, da alles so ordentlich zubereitet ist. Der Schleim der Fakten mit einer wahnsinnigen Zufriedenheit verseucht. Dieser Virus grassiert unter uns (hoffentlich) noch nicht.

 

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