Wo nur soll ich meine Eindrücke gewinnen? Jan Haser über Georg Wahnfried // BERLIN 1998 |
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Er ist einer, der das Licht meidet und
das Dunkle stets verneint. Und vielleicht ist es ein Zufall, dass Wahnfried
noch lebt und der Erfinder der Morbid Mouse Weyrich bald zehn Jahre tot ist.
Doch Zufälle versagen sich der Natur jeder Beschreibung, so beginnt das Grünmannmärchen
von Andreas Dury. Allerdings kommen mir diese Unterschiede zwischen Leben und
Tod, Geburt, das Nichts, gar nicht so gewaltig vor, der Lebende scheint toter
zu sein als der Tote, es sei denn, er wurde nie geboren. Vielleicht ist das
die Schwäche von Wahnfrieds morbiden Texten, die offensichtliche
Verkrüppelung seiner Sinne, zerfaserte Phantasie, verstümmeltes Leben. Oder
es ist ihre Stärke, die Schärfe des Blicks nicht verloren zu haben, die
Wahrheit klarer zu sehen als andere, klarer als je zuvor, es ist ja alles
härter geworden. Oder nicht? Ich ging
durch eine Gegend die enorm hässlich war, schreibt irgendwo Brinkmann, ein
Spaziergang, der bei Wahnfried in die immerzu wiederkehrende Frage mündet,
wo er nur seine Eindrücke gewinnen soll. Auch die balearische Insel, die er
im Zweijahresrhythmus bereist, scheint ihm keinerlei Gewinn zu geben. Der
gezielte Rückzug in die Schreibkammer, in Wahnwelten irgendwo am Rande alltäglicher
Welten, die jedoch, näher betrachtet, nicht weniger wahnsinnig sind, es ist
nur alles subtiler geworden, das Leben eben nicht bunt. Alles andere ist
Farce, Blindheit, Täuschung. Schramm wird niemanden mehr verzeihen, eine Figur
übrgens, die als Zwillingsbruder von Buttgereits Schramm im Stau der grossen
Wallungen überleben könnte. Seit langem brütet der Autor an einem Roman zwischen
Schramms Erregungen und einer wüsten Welt. Andererseits ist Wahnfried, der Abwesende, der Untote, lebendiger denn je, jedoch ausserhalb der geschriebenen Welt. Nach der Beteiligung an zahlreichen kleinen Projekten der subkulturellen Bewegung Berlins (Minerva, Schafott Drammat, Hyde Kartell) präsentierte er im Rahmen der Edward Hyde Collection of Contemporary Arts 1996 im Hamburger Westwerk seine drei großen Kritiken aus der Serie "Der Reflektor des Menschen", dem ersten großen Projekt im atelier archangelsk. Seither arbeitet er medial zwischen Video und Fotografie und drehte auch Super-8-Filme, die in Berlin schon an diversen Orten zu sehen waren. Pathos Transporte, die ihn als Person mehr und mehr greifbar wie angreifbar gemacht haben. Das Kunststück, sich stets im Verborgenen zu halten und doch präsent zu sein, beherrscht Wahnfried allerdings so gut wie Wolfram Hasch, der mit seinen Sounds und akustischen Effekten das gros von Wahnfrieds Filmen musikalisierte. Natürlich haben sie Wasserträger, beide, sonst wären sie schon verdurstet. Trotzdem bleibt es ein schwer lösbares Paradox, in einsamen Hyperräumen existieren zu wollen und seine künstlerische Energie auf eine Weise in die Welt zu schleudern, dass sie nicht sofort verpufft. Doch damit muss man leben, träumen oder nicht leben. |
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